„Jeden Tag kann ich mir eine wunderbare Welt erschaffen, ein Universum, vielleicht meine Gegenwelt zu dem unaufhörlichen Chaos draußen vor meiner Tür, hier in New York…“
Das Chaos draußen vor der Tür und in unserer Welt ist leider nicht weniger geworden, seit Muriel Kalish, inzwischen 91 Jahre alt, 1990 so über ihre Kunst schrieb.
1932 wurde sie in New York geboren, wuchs in kleinen Städten in den Staaten Pennsylvania und New York auf und zog 1950 nach New York City zurück. Dort heiratete sie 1954 den Maler Lionel Kalish, bekam eine Tochter und begann 1958 selbst zu malen: ohne Vorbildung, intuitiv, voller Begeisterung, unablässig. Ihre frühen Bilder verraten ganz die (noch) naive Malerin: unbewegte Figuren und Gegenstände, in pastosen Farben gemalt, frontal komponiert, etwas ungelenk, aber voller Kraft und Ausstrahlung. Doch sie will mehr und nicht zuletzt unter dem Eindruck eines ersten Italienaufenthaltes 1965 verfeinert sie ihre malerischen Mittel hin zur Lasurtechnik, positioniert ihre Figuren in perspektivischen Räumen, Terrassen und Sälen mit Ausblicken in elysische Landschaften, schafft phantasievolle, poetische Szenarien fern der Realität. Neben wunderschönen, durchweg nackten Frauengestalten bevölkern Hunde, Katzen und Kühe ihre Bilder und geben dem Betrachter Rätsel auf, die Muriel Kalish nicht zu lösen gewillt ist.
Als Dieter Brusberg ihre Bilder 1972 in den USA kennen lernte, war es Liebe auf den ersten Blick. Im selben Jahr zeigte er eine kleine Auswahl in einer Gruppenausstellung, 1975 folgte in der Galerie, damals noch in Hannover, die überhaupt erste Einzelausstellung der Künstlerin in Europa. Weitere Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen folgten. 1994 zeigten wir eine Retrospektive, begleitet von dem ersten der „Brusberg-Bücher“ im Insel-Verlag. Über die vergangenen zehn Jahre konnten wir immer wieder aus aufgelösten Sammlungen einzelne Werke der Künstlerin aus jener Zeit zurück erwerben. Nun ist die Anzahl von Bildern erreicht, die es uns erlauben, ein Wiedersehen mit früheren Arbeiten von Muriel Kalish zu ermöglichen und ihre zeitlos gültigen „irdischen Paradiese“, ihre entrückten, elysischen Szenen, die immer auch eine Ahnung von ihrer Gefährdung in sich tragen, in einer Ausstellung zu zeigen.
Bilder von Muriel Kalish befinden sich in den Museen von Pennsylvania, Chicago, Vermont, im Whitney Museum, New York sowie in zahlreichen Privatsammlungen in den USA, Japan, Deutschland der Schweiz und in Italien.